Abschluss eines gelungenen Projekts in Argentinien
Wolfgang Schleicher, Geschäftsführer des Katholischen Landvolks in der Diözese Rottenburg-Stuttgart beschreibt anhand seiner Beobachtungen die Entwicklungen in einem Projekt in Argentinien, das neben anderen von der Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart mit insgesamt 50.000 Euro gefördert wurde. Dabei geht es um eine Verbesserung des Einkommens von Kleinbauern durch eine gemeinsame Vermarktung und einer Beratung für eine verbesserte Qualität der Produkte. Dabei spielen Mikrokredite eine zentrale Rolle. Hier sein Bericht:
Die Projektarbeit unserer Partner Red 127/12 ist nachhaltig. Das ist das wichtigste Ergebnis der zweiwöchigen Projektreise von Mitgliedern des Vorstands des Verbands Katholisches Landvolk und der Kirchengemeinde St. Peter und Paul in Leinfelden, die das Projekt ebenfalls unterstützt. Aber wir waren nicht allein da. Auch die Geschäftsführerin Victoria Lukwago und der Finanzdirektor Kizito Katureebe von unserer ugandischen Partnerorgansiation WEKEMBE begleiteten uns. Es entstand im Laufe der Reise ein fruchtbarer Süd-Süd-Austausch.
Die Projektregion, ca. 600 Kilometer nördlich von Buenos Aires liegt im Norden der Provinz Entre Rios in Argentinien. Sie erstreckt sich ungefähr 250 Kilometer lang in Nord-Süd-Richtung und rund 150 km von West nach Ost. Fast 50 Kommunen unterstützen die Projektarbeit personell und finanziell. Ursprünglich lag das Projekt im Dreieck der Hauptverkehrsstraßen 127 und 12; daher sein Name. Inzwischen wurde die Projektregion Richtung Osten ausgeweitet.
Das Land steckt mit einer Inflation von weit über 100% in einer tiefen wirtschaftlichen Krise. Lag der Wechselkurs für einen Euro Ende März bei 430 Pesos, ist er jetzt - acht Wochen später - bei 530 Pesos je Euro! Umso erstaunlicher ist die erfolgreiche Arbeit unserer Projektpartner. Da bei diesen Rahmenbedingungen ein klassisches Mikrokreditsystem nicht möglich ist, werden die Kredite in Naturalien zurückbezahlt. Verschenkt wird nichts.
Auch der Klimawandel hinterlässt seine Spuren. Bis kurz vor unserer Ankunft Mitte März regnete es über vier Monate nicht und das bei Temperaturen von fast 40 Grad. Vermehrt werden deshalb Brunnen finanziert. Noch immer sind Kleinbauern weder mit Wasser noch mit Strom versorgt. Hier schaffen unsere Partner Abhilfe. Die Brunnen sind je nachdem 50 bis 80 m tief.
Auch die Familie Vega in Hasenkamp konnte davon profitieren. Bisher musste sie in rund einem Kilometer Entfernung das Wasser für sich und ihre kleine Landwirtschaft holen. Das Red 127/12 finanzierte den Brunnen. Doch wie kann das Wasser aus 70m Tiefe hochgepumpt werden, wenn kein Strom da ist? Abhilfe schaffte die Kommune Hasenkamp, die ein Stromaggregat finanzierte, das zum Wasserpumpen verwendet wird. Ein Solarpanel erbringt so viel Strom, dass abends und nachts elektrisches Licht angeschaltet werden kann. Auch der Fernseher kann betrieben werden. Genauso funktioniert dieses Netzwerk: Jede Institution beteiligt sich nach seinen Möglichkeiten. Durch solche und andere Kooperationen vervierfachen sich die Projektmittel aus Deutschland in Höhe von rund 660.000 €.
Ein wichtiger Wirtschaftszweig ist die Honigproduktion. Die argentinische Honigproduktion ist nicht mit unserer zu vergleichen. Argentinische Imker haben nicht selten 200 bis 400 Bienenvölker und produzieren den Honig tonnenweise für den Export. Ein Beispiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen privaten und staatlichen Partnern sowie Kommunen ist die Unterstützung der Imkereigenossenschaft Colmenar. INTA, die staatliche Beratungsorganisation für die Landwirtschaft, berät die Imker. Die größte Genossenschaft in der Provinz mit seinen 650 Mitarbeitern – LAR – übernimmt größtenteils die Vermarktung des Honigs in die ganze Welt. Die zu Beginn gegründete Genossenschaft ist bis heute sehr aktiv. So ist die Honigschleuder der Imkereigenossenschaft José de Feliciano aus dem Jahr 2005 noch immer sehr gut in Schuss.
Ein anderes Beispiel: Die Stadt Villaguay stellt einen Raum für das Schleudern von Honig zur Verfügung und hat die dafür notwendigen Geräte angeschafft. Das Red hat die elektrischen Leitungen und notwendigen Stromschalter mit Beleuchtung zur Verfügung gestellt. Imker mit weniger als 100 Bienenvölkern können dort kostenlos schleudern. Auch ein Schlepper und einige Bodenbearbeitungsgeräte stellt die Stadt den Kleinbauern zur Verfügung.
Weitere landwirtschaftliche Produkte, die erzeugt werden, sind Gemüse, Süßkartoffeln oder auch Zitrusfrüchte. Im Rahmen des Projektes werden auch Rinderhaltung und Milcherzeugung, Schaf- und Ziegenhaltung, Schweinehaltung sowie Eier- und Hähnchenerzeugung gefördert. Einer davon ist Lucas Aranda. Er zeigte uns stolz seinen kleinen Melkstand, der ihm die Arbeit sehr erleichtert. Sein Herz schlägt allerdings für die Pferdezucht. Hier ist er ebenfalls sehr erfolgreich. Mit seinem Pferd Salamanca carbonero der Rasse Criollo wurde er erst vor kurzem Sieger bei einem wichtigen Turnier in Buenos Aires.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die Produktion und Vermarktung von verarbeiteten Lebensmitteln. Ein Beispiel ist die kleine Milchgenossenschaft Cocau in der Nähe von Paraná. Dort wurde über das Projekt eine Zentrifuge finanziert, um Dulce de Leche herzustellen. Das ist eine Karamelcreme, hergestellt aus Milch. Um ein Kilo davon zu erzeugen, werden 4 Liter Milch benötigt, für die Herstellung von Käse 12 Liter. Für die Karamelcreme wird ein guter Preis erzielt. Die Argentinier lieben ihre Dulce de Leche. Auch eingekochtes Gemüse wird direkt vermarktet, unterstützt von der Kommune Fedaral. San José de Feliciano stellt eine kleine Markthalle Kleinerzeugern zum Verkauf ihrer Produkte zur Verfügung. Neben Frischmilch, Gemüse, Eier, Likören und Säften werden auch Kuchen, Gebäck und andere Köstlichkeiten zum Verkauf angeboten.
Die vor über 10 Jahren von INITI kreierte Modemarke Tramagua hat sich etabliert. Die 22 beteiligten Frauen produzieren vor allem Strickwaren und Schafwolle. Diese veräußern sie zu einem guten Teil auch über einen inzwischen aufgebauten Internetshop. Vor kurzem wurde die neue Kollektion im Rahmen einer Modeschau präsentiert. Auch das ist ein schöner Erfolg der kontinuierlichen Zusammenarbeit.
Eine Freude ist immer wieder der Besuch bei der Zitrusgenossenschaft Tuna. Sie wurde im Rahmen des letzten Projekts in 2012 gefördert. Unser Anteil war eine Zitrussortiermaschine. Schon 2016 war die Anlage komplettiert, eine große Halle mit Gabelstaplern und weiteren Geräten war fertig gebaut. Ein Anbau für das Personal und das Büro war errichtet. Eigentlich hätte die Sortierung während unseres Besuchs auf Hochtouren laufen müssen. Aber durch die Trockenheit fiel die erste Ernte leider aus.
Das Erfolgsgeheimnis dieser Arbeit ist das Wirtschaften in Gemeinschaft. Der inzwischen 88jährige Initiator des Projekts Maximiano Asensio setzte von Anfang an auf die Zusammenarbeit von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen. Das ist alles andere als selbstverständlich. Zu den wichtigsten staatlichen Organisationen zählte die landwirtschaftliche Beratungsorganisation INTA, die Beratungseinrichtung für Industrie INTI, das Arbeitsministerium, das Ministerium für Landwirtschaft und Viehzucht mit seinen verschiedenen Bereichen, darunter die Direktion für Bienenzucht sowie das Sekretariat für Außenhandel. Die beiden wichtigsten privaten Organisationen, die das Projekt unterstützen, sind der Unternehmerverband CEER und die oben erwähnte Genossenschaft LAR, die auch die Projektmittel verwaltet. Der CEER ist von Anfang an auch finanziell sehr engagiert. Es ist ein Unternehmerverband anderer Art: Sein Ziel ist das soziale Engagement in der Provinz, um den Wohlstand und die Situation der Menschen zu verbessern. Dazu zählen noch rund 50 Kommunen, die ebenfalls beratend und finanziell unterstützen.
Die ganzen Organisationen zu koordinieren ist ein großer Aufwand, aber sehr wichtig. Wir starteten unseren Besuch mit einem Treffen fast aller beteiligter Organisationen (14). Hier konnten wir gut beobachten, wie vertraut sie untereinander sind. Zum Abschluss erläuterten die Ugander ihre Methoden der Projektarbeit. Dazu waren gut 30 INTA-Berater nach Villaguay gekommen, teilweise legten sie einfach 200 Kilometer zurück.
Vor 17 Jahren war ich das erste Mal in Argentinien, dort wo alles begann: in San José de Feliciano. Und auch dieses Mal besuchten wir wieder diese Stadt im Norden der Provinz, die sich in dieser Zeit sehr gemausert, aber eine Arbeitslosenquote von 37% hat. Es hat mich sehr berührt, die INTA-Berater von damals, die Herren Fonseca und Burns, wieder zu sehen. Auch das Treffen mit Maximiano Asensio war sehr emotional für mich. Er erzählte unter anderem, wie es zu dieser Partnerschaft kam.
Um Körper und Seele etwas ausruhen zu lassen, waren touristische Ziele ebenfalls Teil des Programms. Neben Buenos Aires haben uns das Naturschutzgebiet Parque national el Palmar und die Insel Isolde Municipal Curupi besonders fasziniert. Vielen Dank für das wunderbare Programm, das ihr für uns zusammengestellt habt, namentlich Mariela Rothmann, Alicia Beker, Leticia Bochaton, Noelia Zapata und Pablo Benetti. Noelia wurde inzwischen zur Vorsitzenden des CEER gewählt.
Ein herzliches Vergelt´s Gott auch allen Spendern und Förderern des Projekts, insbesondere dem ILD und der Aktion Hoffnung Rottenburg-Stuttgart.
Das aktuelle Projekt lief während unseres Aufenthaltes am 31.3.2023 aus. Ein neuer Antrag mit dem Schwerpunkt Resilienz im Klimawandel liegt beim BMZ. Wir freuen uns auf die weitere Zusammenarbeit.
Wolfgang Schleicher