Unterstützung für Projekt in Aleppo
Die Aktion Hoffnung unterstützt eine spontane Hilfsaktion der Stiftung Christophorus-Hilfswerk für Erdbebenopfer in Aleppo in Syrien. Der Förderausschuss befürwortete im Umlaufverfahren einen Zuschuss von 10.000 Euro. Dieser Betrag soll jetzt durch eine Spendenaktion aufgestockt werden. Es ist möglich, auf das Spendenkonto der Aktion Hoffnung zu überweisen oder die Aktion bei betterplace zu unterstützen.
Update 28.03.2023
Uns erreichte ein Bericht über die schlimmen Zustände in Aleppo, die durch das Erdbeben vom Februar und etlichen Nachbeben im wahrsten Sinne des Wortes erschüttert wurden. Hier der ausführliche Bericht:
Brief Nr. 46 der Blauen Maristen vom 15. März 2023 Übersetzung des französischen Originals
ERDBEBEN: EIN WEITERER SCHICKSALSSCHLAG IN DER TRAGÖDIE SYRIENS
Fünfundvierzig Sekunden reichten aus um die gesamte Bevölkerung Aleppos auf die Straße zu bringen. Es war Montag, der 6. Februar 2023, 4:17 Uhr; es war Nacht; es regnete; es war kalt, 2° C. Und die ERDE BEBTE. Gebäude stürzen ein, andere schwanken, besonders die oberen Etagen; die Möbel tanzen; Bilder und Nippes fallen zu Boden; Scheiben bersten; Risse öffnen sich in den Wänden ; Steine oder Zement- und Gipsbrocken fallen von den Wänden oder Decken und verletzen die Bewohner; Flaschen mit Öl, Sirup, Spülmittel, fliegen aus den Wandschränken in den Küchen und ergießen sich auf dem Fußboden; und über alles der ohren betäubende Lärm, ein schauerlicher Krach von Schlagenden Türen und sich öffnenden Fenstern; Und das dauerte und dauerte, 45 Sekunden, wie eine Ewigkeit.
Die Aleppiner wurden aus dem Schlaf gerissen; die Kinder schrien, die Erwachsenen waren verängstigt und wussten nicht, was da los war, bis sie realisierten, dass dies ein Erdbeben ist. Panik bricht aus. Die Menschen rennen, sie laufen Treppen hinunter, stoßen sich gegenseitig, manche fallen hin und brechen sich Glieder; und alle, 2Millionen Personen, befinden sich auf der Straße, im Nachtkleidung, manche barfuß, im Regen und in der Kälte. Gebäude stürzen ein, obere Stockwerke fallen zusammen, Steine regnen von oben herunter und verletzen oder töten Menschen, die auf die Straße geflüchtet sind.
Es ist ein Chaos. Wer ein Auto besitzt, will aus seiner Wohngegend weg um in einem freien und unbebauten Gelände zu parken; Staus behindern die Flucht. Andere suchen Zuflucht in den öffentlichen Parks, in Kirchen oder Moscheen. Die großen Straßen und die Ringautobahn sind danach längs der Trottoirs vollgeparkt von Familien, die in ihren Autos übernachten. Tausende Familien haben Zelte im freien Gelände aufgestellt und leben dort seit dem Beben. Die großen Sportstadien Aleppos sind vollgestopft mit tausenden Familien. Fast die gesamte Bevölkerung Aleppos blieb tagelang „auf der Straße“. Später haben wir erfahren, dass das Beben eine Stärke von 7,8 auf der Richterskala hatte und das Epizentrum im Süden der Türkei, etwa 100 km nördlich von Aleppo lag.
Nach weniger als einer halben Stunde öffneten wir, die Blauen Maristen, die Pforten unserer Residenz um alle aufzunehmen, die bei uns Zuflucht suchten; wir starteten Botschaften auf verschiedenen sozialen Netzwerken und beantworteten dutzende Telefonate mit „sie sind bei uns willkommen“. Während weniger Stunden kamen mehr als tausend Menschen, aller Konfessionen, von Kälte erstarrt, vom Regen durchnässt, schreiend, unter Tränen. In kurzer Zeit eilten unsere ehrenamtlichen herbei, verteilten heiße Getränke, Decken und Matten, soweit vorhanden; wir mussten die Menschen aufrichten, sie trösten, sie beruhigen, ihnen zuhören; und sie ins Warme bringen in allen Räumen unserer Residenz einschließlich der Küche. Glücklicherweise sind die beiden Innenhöfe des Konvents überdacht; wer in den Innenräumen nicht unter kam, fand Platz auf einem Stuhl um dort den Morgen zu erwarten. Ab dem Morgen mussten alle mit Essen versorgt werden, kochen für tausend Personen, Kinder mit Milch versorgen, Decken und Matten für alle bereitstellen und für die kommende Nacht Platz schaffen für alle.
Kaum waren die Menschen ein wenig zur Ruhe gekommen, folgte um 13:24 Uhr ein zweites Beben der Stärke 7,7. Aleppo hatte ein solches Beben seit 1822 nicht mehr erlebt.In den nachfolgenden Wochen gab es zum Entsetzen der Bevölkerung kleinere Erschütterungen bis am 20.Februar sich um 20:04 Uhr ein drittes Beben der Stärke 6,3 ereignete.
Die Bilanz dieses Erdbebens beläuft sich allein in Aleppo auf 458 Tote, mehr als tausend Verwundete , 60 eingestürzte und total zerstörte Gebäude, hunderte nicht mehr reparable zum Abriss anstehende Gebäude, tausende stark beschädigte und im derzeitigen Zustand nicht bewohnbare Immobilien und hunderttausende Menschen, die kein Zuhause mehr haben. Wenn auch von außen gesehen manche Immobilien intakt erscheinen, sind viele davon nicht bewohnbar, weil die Fundamente oder Treppenhäuser oder die tragenden Mauern beschädigt sind. Außer Aleppo sind mehrere syrische Städte betroffen, besonders Latakia, Hama und Jablé; in der letzteren sind in einem einzigen Komplex sechzehn Gebäude eingestürzt, wobei 15 Ärzte und 16 Apotheker zu Tode kamen.
Während mehr als 20 Tagen nahm unsere Residenz hunderte Personen auf, deren Zahl je nach den Zugängen und Abgängen variierte. Empfangen, unterbringen, bekleiden ( die Menschen hatten nichts außer den Kleidern, die sie am Leib trugen), behandeln, ein heißes Bad anbieten, dazu neue Bekleidung und Unterwäsche, aufmuntern, sich um die Kinder kümmern, Schlafgelegenheiten organisieren, das waren unsere täglichen Aufgaben.
Viele Familien blieben bei uns, weil sie in Erwartung eines vierten Bebens sich fürchteten nach Hause zu gehen. Bei anderen waren die Wohnungen stark beschädigt oder ihre Häuser waren ganz zusammengefallen. Wir haben dann ein Komitee der Ingenieure der Blauen Maristen gegründet, das die Wohnungen der Flüchtlinge inspizierte. Wenn der Zustand der Wohnung zumutbar war, beruhigten wir die Leute und baten sie wieder nach Hause zu gehen. Wenn die Wohnungen nicht mehr bewohnbar waren, mieteten wir Appartements für ein Jahr an, die Zeit für notwendige Reparaturen und Wiederherstellungen. Andere Assoziationen und die Kirchen taten dasselbe.
Während vier Wochen haben wir unsere gewohnten Projekte unterbrochen um das Leid zu mildern und den Zwangsumsiedlern beizustehen. Aber seit einer Woche nehmen wir unsere Aktivitäten wieder auf trotz der Erschöpfung unserer Ehrenamtlichen und Wohltäter.
Abgesehen von der sehr schweren menschlichen und materiellen Bilanz ist uns die psychische Traumatisierung in allen Altersgruppen sehr wichtig. Jetzt, 35 Tage nach dem Erdbeben, sind Erwachsene wie Kinder immer noch schockiert, verängstigt, verzweifelt, haben Albträume und denken, dass es noch schlimmer kommen kann.
Der Rote Halbmond (entspricht unserem DRK) und sehr zahlreiche Vereinigungen und Gesellschaften sind, wie wir, aktiv geworden um hunderttausende Zwangsumsiedler in ihren Besucherzentren aufzunehmen; eine Mobilisierung, wie man sie noch nie gesehen hat.
Die Solidarität und Großzügigkeit der anderen syrischen Städte uns gegenüber, sowie die unserer Nachbarn im Libanon und Irak waren vorbildlich. Außerdem organisierten Syrer in der Diaspora vom ersten Tag an Sammlungen von Geld und Material und ergriffen Initiativen um uns Geld zu schicken.
Unsere westlichen Freunde haben mit Großzügigkeit dasselbe getan. Nicht zu vergessen die wichtige Funktion der zahlreichen internationalen karitativen und solidarischen Vereinigungen, vor allem der christlichen, die sich, wie noch nie, für unsere elementaren Bedürfnisse verausgabt haben.
Befreundete Staaten schickten Hilfe und Mannschaften zur Trümmerbeseitigung sowie medizinische Teams. Etwa hundert Flugzeuge aus Marokko, Tunesien, Algerien, Jordanien, Ägypten, Venezuela und sogar aus Bangladesch, um nur einige zu nennen, landeten auf dem Flughafen Aleppo. Dann wurde der Flughafen von Aleppo, wo die Hilfe bringenden Flugzeuge landeten, neu von unseren südlichen Nachbarn bombardiert und unbrauchbar gemacht!
Während hunderte Flugzeuge Hilfe in die Türkei brachten, landete nur ein einziges europäisches Flugzeug in Syrien. Welche Schande !! Waren die Länder der Menschenrechte und der „Demokratie“ der Überzeugung, dass die von der Katastrophe betroffene Bevölkerung Syriens weniger litt als die türkische, weil sie in einem unter Sanktionen stehenden Land lebt? Konnten sie ihre Sanktionen nicht beiseitelassen um der unter einer natürlichen Katastrophe leidenden Bevölkerung humanitäre Hilfe zu leisten? Das ist zumindest skandalös. Diese Länder behaupten seit Jahren, dass humanitäre Hilfe und medizinisches Gerät von Sanktionen ausgenommen seien. Zunächst ist das in Wirklichkeit nicht wahr. Andererseits, wenn es wahr wäre, warum haben sie die Sanktionen für humanitäre Hilfe um 180 Tage erleichtert, wenn die humanitäre Hilfe schon davon ausgenommen war?
Glücklicherweise haben die Frauen und Männer dieser Staaten anders als ihre Staatsführungen reagiert und vorbildliche Solidarität und Großherzigkeit bewiesen.
Diese Sanktionen, einseitig von den westlichen Staaten seit zehn Jahren dem syrischen Volk auferlegt, sind unwirksam und ungerecht; sie führten zu einer Verarmung der syrischen Bevölkerung, die mangels Investitionen von außen, welche durch die Sanktionen verhindert sind, unter einer sehr schweren ökonomischen Krise leidet.
Sie lassen uns unter einem Embargo vieler Produkte leiden, was uns eine Verknappung von Heizöl, Treibstoff, Brot und Elektrizität beschert.
Die Sanktionen töten: Die meisten der durch das Beben eingestürzten Gebäude waren durch Kriegseinwirkung stark geschädigt, wurden aber von Menschen bewohnt, die keine andere Wahl hatten; diese Immobilien ( davon gibt es zigtausend) konnten nicht wiederhergerichtet werden, weil die Wiederherrichtung durch die Sanktionen verhindert wird; nicht zu reden von den Dutzenden Personen, die lebendig unter den Trümmern verschüttet wurden und gestorben sind, weil sie mangels schwerer Räummaschinen nicht rechtzeitig Hilfe bekamen.
Heute, dem 15. März, begannen vor 12 Jahren die schlimmen Ereignisse in Syrien: Das syrische Volk hat jetzt genug gelitten, und nun ist es am Ende: Die Kriegsjahre, die Sanktionen und Verknappungen, die ökonomische Krise, Covid-19, Cholera, und nun das Erdbeben. Welche Schicksalsschläge für ein Land, das einst schön, blühend, sicher und selbstbewusst war.
Fünfundvierzig Sekunden reichten aus, um die gesamte Bevölkerung Aleppos auf die Straße zu treiben; eine Bevölkerung, die nach 12 Jahren Tragödie und Unglück bereits darnieder lag. Aber das syrische Volk ist ein Volk von Stolz und Würde, selbst unter widrigen Bedingungen. Es will nichts anderes als von neuem leben zu können, normal und in Frieden.
Helfen Sie uns die Sanktionen aufzuheben.
Danke für Ihre Freundschaft und Solidarität.
Aleppo, 15. März 2023
Dr Nabil Antaki
Im Namen der Blauen Maristen
Hintergrundinformationen
Die Stiftung Christophorus-Hilfswerk kooperiert seit vielen Jahren mit den Blauen Maristen und unterstützte in Aleppo ein Zentrum, in dem Frauen lernten, Kleider zu nähen. Für dieses Projekt "Heartmade" wurde die Stiftung Christophorus-Hilfswerk im Jahr 2021 mit einem Preis beim Wettbewerb "Mantel teilen. Heute!" ausgezeichnet. Eine Beschreibung des Engagements findet sich hier.
Durch das Erdbeben hat sich die Lage im Bürgerkriegsland Syrien noch einmal dramatisch verschlechert. Waren die Menschen bis Anfang Februar noch dabei, sich mühsam eine Perspektive aufzubauen, wurde durch das Erdbeben die komplette Lebensgrundlage zerstört.
Die jetzt beantragte Nothilfe durch die Stiftung Christophorus-Hilfswerk beinhaltet eine Unterstützung der medizinischen Notversorgung genauso wie eine Erstversorgung der Erdbebenopfer mit Decken, Lebensmitteln und Hygieneartikeln.
Deshalb danken für für jegliche Unterstützung!
Weitere Informationen zur Stiftung Christophorus-Hilfswerk finden Sie auf der Website der Stiftung Christophorus-Hilfswerk.